Fachtag JMBez 2403 Impuls Ulfat

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Jüdisch-Muslimische Beziehungen

in Deutschland

In Heidelberg arbeiten zahlreiche Institutionen und Akteure erfolgreich

im Themenfeld „Empowerment für (migrationsbezogene)

Diversität und inklusive und interreligiöse Bildung“ zusammen. Zu

diesen gehören u. a. das Zentrum für Transkulturelle Pädagogik

(Hei-MaT) der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, die Muslimische

Akademie Heidelberg und das Amt für Chancengleichheit

der Stadt Heidelberg.

Mit der Fachtagung unter dem Titel „Zwischen Konflikt und

Dialog?“ soll eine Plattform geschaff en werden, welche alle

Interessierten einlädt, aktuelle Herausforderungen sowie Chancen

im Schnittfeld Judentum-Islam zu diskutieren – denn sowohl das

Judentum als auch der Islam sind hinsichtlich gegenwärtiger und

zukünft iger Migrationsbewegungen hoch dynamischen Transformations-

und Veränderungsprozessen ausgesetzt. Was heißt das

für uns als Gesellschaft ? Wie können vielfältige Bildungsangebote

diesen Prozessen Rechnung tragen?

Am 6. März 2024 bildet die Fachtagung den Auft akt zu einer Vorlesungsreihe,

die aus unterschiedlichen Perspektiven diese und

weitere Fragestellungen aufgreifen wird. Ich freue mich, im Namen

der Veranstalter:innen und der Pädagogischen Hochschule

Heidelberg hierzu einzuladen und wünsche uns, dass wir gemeinsam

nachhaltige Perspektiven entwickeln, um miteinander im

Gespräch zu bleiben.

Prof.in Dr.in Karin Vach

Rektorin der Pädagogischen Hochschule

Transkription


Speaker 1: Sehr geehrte Rektorin, Professor, sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Jansen, sehr geehrter Professor Kiesel, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Anwesende! Ich freue mich sehr, dass ich heute bei dieser Auftaktveranstaltung dabei sein kann und mit ihnen ins Gespräch kommen kann über ein Thema, das uns alle sehr bewegt wie kaum ein anderes derzeit. Ich möchte gleich zu Anfang betonen, dass ich von den Terroranschlägen der Hamas auf Israel zutiefst erschüttert bin. Die Verbrechen der Hamas sind weder zu entschuldigen noch zu relativieren. Mein Mitgefühl gilt allen Opfern und ihren Familien, und ich stehe fest an der Seite Alina, die für Frieden und Gerechtigkeit kämpfen. Wie schon erwähnt wurde, habe ich gemeinsam mit meinem Kollegen in eine jüdisch islamische Forschungsstelle gegründet, die gerade in diesen Zeiten im Zentrum gesellschaftlicher Aufmerksamkeit steht. Wir stellen fest, wie sehr die aktuelle Lage den Bedarf an und die Notwendigkeit unserer Arbeit deutlich macht, und das zeigt sich an den zahlreichen Nachrichten und Anfragen, die wir nicht nur von der Presse, sondern auch von öffentlichen Einrichtungen schulen und Einzelpersonen erhalten. Es ist gerade in solch herausfordernden Zeiten von unschätzbarem Wert, Initiativen wie ihre Veranstaltung zu haben, die Dialog und Verständigung fördern. Ähm, die Folgen des abscheulichen terran Anschlags der Hamas sind, wie auch schon mehrmals gesagt wurde, schwerwiegend. Der Anschlag verursacht auf beiden Seiten großes menschliches Leid. Besonders tragisch ist das Schicksal der Geiseln und der Kinder, die ihre Eltern verloren haben, selbst verletzt sind und nun mit diesen Traumata leben müssen. Die mögliche Radikalisierung junger Menschen, die von diesen Ereignissen geprägt werden, stellt eine besondere Gefahr dar. Die Ereignisse im nahen Osten beeinflussen auf einer globalen Ebene das Zusammenleben vieler Menschen verschiedener Herkunft und Religion, einschließlich der in Deutschland lebenden Musliminnen und Jüdinnen. Wie so viele andere Konflikte zeigt das, was wir in sogenannten, dass wir in sogenannten lokalen Gesellschaften leben, in denen das globale und das lokale in ständiger Wechselwirkung miteinander stehen. Neue Medien und Kommunikationsformen haben dazu beigetragen, dass geographische Distanzen an Bedeutung verlieren und die Welt, bildlich gesprochen, zusammenschmilzt. Was bedeutet das für das Leben in Deutschland? Konflikte wie jene im nahen Osten wirken sich unmittelbar und tiefgreifend auf unser eigenes Leben in Deutschland aus. Dabei ist es essenziell zu verstehen, dass globale Ereignisse sich natürlich nicht in ihrer reinen Form lokal manifestieren. Sie werden vielmehr durch lokale soziale Realitäten adaptiert und neu interpretiert, indem sie mit persönlichen Erfahrungen, erworbenen Wissen, kulturellen Prägungen und medial vermittelten Bildern vermischt werden. Der ferne Konflikt wird also durch diese Brechung Teil unserer eigenen sozialen Realität und beeinflusst somit direkt unser Zusammenleben vor Ort. Das sehen wir an Vorfällen wie die Ausschreitungen und Brandanschläge auf Synagogen in Berlin sowie die öffentlich zur Schau gestellte Freude einiger Personen muslimischen Glaubens über die Attentate. Der territoriale und politische Konflikt in Israel wird in Deutschland zu einem religiösen Konflikt um stilisiert. Dadurch entsteht eine wachsende Spannung und Feindseligkeit zwischen Jüdinnen und Musliminnen vor Ort. Diese Entwicklungen haben dazu geführt, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland Angst empfinden, besonders von Musliminnen und Muslimen. Es ist essenziell, folgende zentrale Punkte zu betonen. Die Zuspitzung des Konflikts zwischen Israel und der Hamas beziehungsweise der Bevölkerung in Gaza wird häufig als ein jüdisch muslimischer Konflikt dargestellt. Der Konflikt hat zwar unbestreitbar religiöse Aspekte, und diese spielen in vielerlei Hinsicht eine Rolle, jedoch ist der Konflikt in seinem Kern weit eher politisch als religiös motiviert. Es geht um Fragen von politischer Selbstbestimmung, territorialer Macht und Kontrolle über Ressourcen. Religionen werden bei solchen Konflikten häufig ein verstärkter, verstärkender Faktor der Eskalation der Konflikte, also befeuert, sie können aber auch ein Werkzeug der Vermittlung und Verständigung sein. Freilich werden in diesem wie in so vielen Fällen Religionen in erster Linie instrumentalisiert, um politische Ziele zu verfolgen und Unterstützung in den jeweiligen Bevölkerungsgruppen zu mobilisieren. Die Komplexität des Konflikts zeigt sich insbesondere daran, dass sowohl nationale als auch religiöse Identitäten, historische, narrative und geopolitische Interessen sich überlagern und wechselseitig beeinflussen. Das auseinanderzuhalten und die gegenseitigen Abhängigkeiten kritisch in den Blick zu nehmen, ist eine Herausforderung, die wir intensiv gemeinsam weiter bearbeiten müssen. Zweitens, eine differenzierte Betrachtung der Situation in Deutschland und im Krisengebiet selbst ist von größter Bedeutung. Es ist wieder angemessen, deutschen Jüdinnen und Juden für das Verhalten des Staates Israel verantwortlich zu machen, noch Deutsche, Musliminnen, Muslimen für die Terran Anschläge der Hamas. Eine solche kollektive Schuldzuweisung ist unzulässig und trägt nur dazu bei, die Spannungen weiter zu verschärfen. Drittens, es ist unabdingbar, dass wir als Musliminnen in Bezug auf Taten, die von Musliminnen begangen werden, eine selbstkritische Haltung einnehmen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir nicht in die Falle haben, schwerwiegende Taten auf beiden Seiten gegeneinander aufzuwiegen oder in simplifizierende Schwarz-weiß Dichotomien zu verfallen. Eine solche Haltung fördert nur die Polarisierung, verhindert das Verständnis für die Komplexität der Situation und führt zu einem selektiven Humanismus, der sich nur gegen das Leid auf der eigenen Seite einsetzt. Stattdessen müssen wir uns für eine differenzierte Betrachtungsweise stark machen, die es uns ermöglicht, alle Formen von Gewalt und Ungerechtigkeit unabhängig von der Seite, auf der sie geschehen, zu verurteilen. Diese Haltung ist nicht nur ein Gebot der Gerechtigkeit, sondern auch ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zu einer wahrhaftigen Versöhnung und einem friedlichen Zusammenleben. Dazu gehört auch, die Mythen und politisch religiöse Narrative, die sich um den Konflikt ranken und ihn befördern, kritisch zu betrachten und zu dekonstruieren, um die sozialen Realitäten und das Leid hinter ihnen sichtbar zu machen. Um den Kreislauf der Gewalt und der gegenseitigen Beschuldigungen zu durchbrechen, ist es notwendig, über all diese Themen offen und konstruktiv zu diskutieren. Die Geschehnisse in und um Gase haben, wie bereits gesagt, zur Folge, dass sich nun in Deutschland die Mehrheit der Jüdinnen und Juden sowie Musliminnen und Muslime zunehmend voneinander isolieren und für das Leiden der jeweils anderen Seite kaum noch Empathie aufbringen. Diese Tendenz stellt eine bedenkliche Entwicklung dar. Eine zunehmend, zumindest teilweise Ausnahme bilden dabei erfreulicherweise viele Akademikerinnen und Akademiker und Intellektuelle bei der Glaubensrichtungen, die noch den Dialog suchen und sich gegenseitig in ihren Anliegen und Sorgen zu verstehen suchen. Das wird beispielsweise durch den offenen Brief jüdischer Intellektueller und die Stellungnahme von Professorinnen und Professoren der islamischen Theologie deutlich, die ein Bewusstsein für eine Notwendigkeit des Dialogs zeigen. Die Herausforderung liegt jedoch darin, auch jene Kreise zu erreichen, die sich nur noch ausschließlich in ihren eigenen Medien und selbstbezogenen Diskursen befinden oder bewegen. In diesen geschlossenen Gruppen kann es zu extremen Sichtweisen kommen, die sogar in einer Entmenschlichung der jeweils anderen Gruppe resultieren. Die Frage ist nun, wie wir einen Weg finden können, diese isolierten Gemeinschaften anzusprechen und auch wieder an einen Tisch zu bringen. Doch es gibt auch zahlreiche Hoffnungsschimmer. Unter den beiden Titeln unsichtbar in der Mitte der Gesellschaft und Gesicht zeigen gegen Antisemitismus riefen die tübinger Künstler Innen im Report und Peter Ulis ihr neues politisches Kunstprojekt ins Leben, das jetzt im Theologikum der Universität Tübingen zu sehen ist. Für das Projekt wurden nach dem Zufallsprinzip Menschen unterschiedlicher Herkunft zum Thema Antisemitismus und jüdisches Leben in Deutschland befragt und ihre Antworten dokumentiert. Das Kunstprojekt konzentriert sich auf persönliche Erfahrungen und Aussagen von Personen, die gemeinsam mit ihren Fotoprote gezeigt werden, und einige unserer muslimischen Studierenden und Mitarbeiterinnen engagieren sich ebenfalls bei dem Projekt und zeigen Gesicht, indem sie sich abbilden lassen und Statements abgeben. Ein weiteres Beispiel: die Schülerinnen und Schüler der Klassen der Kursstufe eins des neuen Gymnasiums Leibnitz drücken in ihrem Brief ihre Solidarität und ihr Mitgefühl mit der jüdischen Gemeinde angesichts der Gewalt gegen jüdische Zivilisten in Israel und der Drohungen und Anschläge in Deutschland aus. Sie betonen das gemeinsame abrahamitische Erbe von Musliminnen und Jüdinnen, die Bedeutung des friedlichen Zusammenlebens und der Überwindung von Diskriminierung. Sie lehnen den Antisemitismus ab und rufen zu gemeinsamem Einsatz gegen Hass und für ein respektvolles miteinander auf, mit dem Ziel, eine Welt ohne Angst und Vorurteile zu schaffen. Da ich Religionspädagogin bin, ist es immer mein Ziel, die Lösungspotenziale der religiösen Bildung in den Blick zu nehmen. Aus religionspädagogischer Perspektive möchte ich auf folgende Punkte eingehen. Soziale Medien spielen eine entscheidende Rolle bei der potenziellen Radikalisierung Jugendlicher, indem sie diese durch Algorithmen in sogenannte Echokammern lenken. Dort werden die Jugendlichen mit einseitigen Perspektiven, Verschwörungstheorien und hetzerischen inne halten indoktriniert. Das kann zu einer Entstehung einer Verfestigung extreme Ansichten führen, da die kontinuierliche Beeinflussung innerhalb dieser geschlossenen Diskurse kaum Raum für gegensätzliche Meinungen oder kritische Selbstreflexion lässt. Die religionspädagogische Herausforderung besteht darin, durch religiöse und Medienbildungsangebote Wege zu finden, diese Algorithmen algorithmisch verstärkten Tendenzen zu durchbrechen und den Jugendlichen einen ausgewogenen und vielfältigeres Informationsumfeld zu verschaffen. Dabei ist es aus religionspädagogischer Perspektive essenziell, dass die Bildungs Bemühungen nicht ins leere laufen, indem wir den Jugendlichen das Gefühl geben, sie dürften sich zur aktuellen Krise nicht äußern. Freilich ist es unerlässlich, jede Form von Gewalt und Aufrufe dazu Strick zu untersagen. Es ist jedoch wenig hilfreich bei den Schülerinnen und Schülern, pro palästinensische Standpunkte und Emotionen pauschal des Antisemitismus zu verdächtigen oder sie gar zu unterdrücken. Vielen dank. Viele aktuelle Verbote werden aus muslimischer Sicht oftmals als Islam und Migrationsfeindliche interpretiert. In dieser Hinsicht besteht beispielsweise eine Herausforderung darin, wie Personen palästinensischer Herkunft ihre berechtigte Sorge um Angehörige ausdrücken können, die in Gaza von den Folgen der militärischen Auseinandersetzung betroffen sind. Gewaltfreie Demonstrationen müssen ein legitimes Mittel bleiben, um Empörung über die Besatzung und Trauer über die vielen Opfer auszudrücken. Dies wirkt eine Radikalisierung stärker entgegen als zum Teil nicht mehr differenzierende Verbote. Eine Unterdrückung des öffentlichen Ausdruck der Solidarität von Musliminnen mit der Bevölkerung in Gaza birgt die Gefahr einer Radikalisierung von Musliminnen in Deutschland, die letztlich zu einer Verschärfung der Spannungen zwischen Jüdinnen, Musliminnen führen kann. Für eine offene Gesellschaft ist es essenziell, differenzierte Diskurse zu führen, das allen Standpunkten ermöglicht, ihre Perspektiven und sorgen gewaltfrei zu artikulieren. Deshalb ist es notwendig, das muslimische Jugendliche in Schulen und Bildungseinrichtungen sichere Räume, sogar sogenannte safe spaces, erhalten, in denen sie mit der Thematik sich auseinandersetzen können. Solche Räume sollten es ihnen ermöglichen, offen über ihre ängste Aggressionen sorgen und Vorurteile zu sprechen, denn nur wenn diese Gefühle offen artikuliert werden, können wir daran arbeiten, sie abzubauen und die Jugendlichen dazu ermutigen, kritisch zu reflektieren und vor allem ihre eigenen Standpunkte zu differenzieren. Meine eigenen Erfahrungen mit Studierenden, mit denen ich über die derzeitige Situation gesprochen habe, zeigen, wie wichtig solche vertrauensvollen Räume sind. Die offenen Gespräche über ihre Zerrissenheit und Verzweiflung, aber auch das klare Feedback meiner Studierenden darüber, wie wertvoll diese Diskussionen sind und wie sehr sie dazu beigetragen haben, ihre Perspektiven zu verändern, bekräftigen die Notwendigkeit dieses Ansatzes. Initiativen wie die von Herrn Matern und mir, bei denen wir als Team an Schulen gehen, oder auch das Projekt Meet To Respect sind entscheidende Schritte in die richtige Richtung. Es ist ermutigend zu sehen, dass es andere Teams für uns gibt, die ebenfalls solche Gespräche an Schulen anbieten, doch ist es klar, dass wir noch mehr Ressourcen brauchen, um solche bildungs und Begegnungs Offensiven weiter auszubauen und nachhaltig zu etablieren. Seit dem sieben Oktober und den damit einhergehenden Veränderungen ist es meines Erachtens entscheidend, in einer Welt, die durch diesen Konflikt stark polarisiert und gespalten wurde, pädagogisch verantwortungsvoll zu handeln. Mein pädagogisches Anliegen fokussiert darauf, wie man mit Situationen umgeht, in denen es keine gute Seite gibt und in denen moralische Dilemmata ein abschließendes Urteil weitgehend unmöglich machen. Die Vorstellung vieler religiöser Menschen, dass sie durch die richtige Anwendung der Gute ihrer Religion immer moralisch rein bleiben können, ist eine naive Haltung. Der Blick auf die unaufhebbare Unsauberkeit der Welt gehört zu einer reifen religiösen Haltung dazu. Initiativen wie die heutigen oder unsere jüdisch islamischen Forschungsstelle sind daher mehr denn je gefordert, solche komplexen und schwierigen Themen aufzugreifen, dabei zu helfen, ein tiefergehendes und reflektiertes Verständnis für die Dynamiken und Herausforderungen dieser Konflikte zu entwickeln und allen Widrigkeiten zum Trotz nicht davon abzulassen, nach Lösungen zu suchen. Komme zu meinem Fazit. Die Beziehungen zwischen Musliminnen und Jüdinnen in Deutschland waren auch vor dem sieben Oktober bereits angespannt, wie Studien verdeutlichen. Diese Spannungen haben sich verschärft, insbesondere durch antisemitische Ausschreitungen seitens einiger Musliminnen, was die Notwendigkeit von Bildungsarbeit unterstreicht. Es besteht ein bedarf, insbesondere für muslimische Unterstützer der Palästinenser, zu lernen, politische Diskurse zu führen, die nicht in pauschalisierenden Antisemitismus oder Judenfeindlichkeit abgleiten, sondern eine sachliche Auseinandersetzung mit der Situation in Israel und Palästina ermöglichen. Um sicherzustellen, dass von Musliminnen geführte politische Diskussionen in Deutschland im Einklang mit den Prinzipien und Regeln der demokratischen Kultur stehen, muss eine Abkehr von religiös ideologischen Narrativen erfolgen. Studien deuten darauf hin, dass eine fundamentalistische Auslegung des Islam ein wesentlicher Faktor für den höheren Grad an Antisemitismus unter Musliminnen ist. Die religiös identitären Zuschreibungen können und müssen durch eine historisch kritische Herangehensweise an den Koran und die islamische Theologie Geschichte dekonstruiert werden. Die religiösen und politischen Dimensionen des Konflikts müssen ebenfalls in ihrer Verwobenheit analysiert werden, wobei betont werden muss, dass Ereignisse in Israel und Palästina keine Gewalt oder Gewalt Aufrufe in anderen Ländern rechtfertigen. Daher muss religiöse Bildung auch immer als politische Bildung verstanden werden, die Individuen dazu anregt, die eigene Rolle in bestehenden Herrschaftsverhältnissen und Ungerechtigkeiten zu reflektieren und anzuerkennen, dass man sowohl Teil des Problems sein kann als auch Teil der Lösung. Letztendlich ist meines Achtens von Bedeutung, die die reichen historischen und ideellen Verflechtungen zwischen Islam und Judentum verstärkt in das gesellschaftliche Bewusstsein einzubringen und zu betonen. Die Vorstellung, dass Jüdinnen Musliminnen ewige Feinde sein, ist historisch falsch und ein essenzialisierende Vorurteil gegenüber Musliminnen und Jüdinnen Gleichmaß gleichermaßen. Unser Verhältnis miteinander darf nicht länger allein durch die Linse des Israel palästinensischen Konflikts betrachtet und bestimmt werden. Es existiert eine reiche Vergangenheit, gegenseitige Beeinflussung und Bereicherung, und es existieren zeitgenössische Herausforderungen, die ein gemeinsames demokratisches Engagement von Jüdinnen und muss meinen in der sich kontinuierlich diversifizierenden deutschen Gesellschaft ermöglichen und fördern. Verschiedene jüdische und muslimische Organisationen sind bereits aktiv in der Förderung dieser Zielrichtung. Die gegenwärtigen Entwicklungen verdeutlichen die Dringlichkeit eines derartigen Engagements und die Notwendigkeit, dieses in der aktuellen Situation zu intensivieren. Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit. Speaker 2: Aber tatsächlich auch im Rahmen jetzt ein wunderbar! Speaker 1: Soll ich, soll ich das hier ausmachen? Oder? Speaker 2: Danke für für diesen Input und für diese Punktlandung auch in der Zeit und für die spannenden Perspektiven, die sie mitgebracht haben. Es gibt jetzt die Möglichkeit, zehn Minuten für inhaltliche Rückfragen auch an die Referentin, bevor wir quasi auf die nächste Perspektive eingehen, und deswegen an dieser Stelle noch wunderbar danke. Gibt es Rückfragen zum Input von Frau? Dankeschön, danke für ihren Vortrag. Ich hatte nur, ich hatte nur interessiert, die Projekte, die da bei ihnen laufen, in Tübingen, diese Dialog, Projekte an Schulen und so weiter. Wie kommen die denn an? Werden die von den Schülerinnen angenommen, oder? Speaker 1: Ich so ja, vielen dank für ihre Frage. Also, es ist so, dass wir, als wir die jüdisch islamisch Forschungsstelle gegründet haben, wurde das sozusagen von der Zeitung auch sehr positiv aufgenommen, und die Schulen sind dadurch auf uns aufmerksam geworden, und als eben sozusagen dieser Konflikt entstanden ist, beziehungsweise nach dem Angriff, haben sie Oktober, Oktober haben sich Lehrkräfte bei uns gemeldet, die sehr verzweifelt waren, weil sie einfach nicht wussten, wie sie dieses Thema auch so differenziert wie möglich mit den Schülerinnen und Schülern bearbeiten können, und haben uns eingeladen. Es gab eine sehr, sehr große, ein sehr großes Interesse von Seiten der Schülerinnen und Schüler, an solchen Veranstaltungen eben teilzunehmen. Sie haben sehr, sehr viele Fragen mitgebracht, sie haben sich gut vorbereitet, sozusagen auch, und wir hatten den Eindruck, dass das sehr gut angenommen wurde und dass der Bedarf aber auch sehr, sehr groß ist, weil das sind ja immer so sozusagen einzelne Besuche, und solche Initiativen müssen eigentlich kontinuierlich stattfinden. Speaker 2: Gibt es weitere Rückfragen? Ich stehe gut, nicht, dass ich jemand ne. Okay. Dann an Ah. Hier vorne noch kurz die Nachfrage, Ulrike Graf aus der Grundschulpädagogik. Meine Frage wäre, welche Erfahrungen haben sie im Hinblick auf die unterschiedlichen Alters und damit Schulstufen mit ihrer Arbeit in den Schulen? Speaker 1: Ähm, bis jetzt haben wir sozusagen in der Sekundarstufe eins und zwei unsere Erfahrungen gesammelt, mit der Grundschule noch nicht mein Kollege hat, der ist sozusagen in diesem Projekt mit to respect, der geht mit einem in verschiedene Schulen und wo sie eben als Imam und Rabbiner mit den Schülerinnen und Schülern sprechen. Der hat auch Erfahrungen in Grundschulen gemacht, und es ist es ist sehr spannend für ihn zu sehen, dass gerade die Muslimischen, also die, die die kleineren Schülerinnen und Schüler oft gar nicht zwischen Imam und Rabine unterscheiden können und sie dadurch, dass sie ihm sozusagen auch begegnen, als Menschen sehr stark ja sozusagen von von diesem du, das da gemeinsam auftritt, beeindruckt sind und auch sehen eben, dass Muslime und Juden und denen sozusagen hier in freundschaftlicher Kommunikation auftreten. Das ist etwas, was also. Sie bekommen ein sehr, sehr positives Feedback auch von den Grundschülerinnen und Schülern, also von daher ist es sozusagen also, man muss das natürlich sehr unterschiedlich aufbereiten für die verschiedenen Lerngruppen, aber auch da gibt es sehr positive Erfahrungen. Speaker 2: Dankeschön! Da hinten ist noch eine Wortmeldung. Noch was organisatorisches Lorenz hält Marie Baumschule, wenn man sie jetzt auch einladen möchte, zum Beispiel an unsere, an meine Schule? Wie geht man denn am besten vor? Speaker 1: Ja, ja, also einfach uns eine E Mail schreiben. Wir sind also, wir sind beide an der Universität Tübingen, und er ist also, ich bin am Zentrum für islamische Theologie, er ist am Institut für islamische Religions, nee Quatsch, nicht islamisch, am ökonomischen Institut für das ist an der katholischen Fakultät. Wir haben leider eben keine Fakultät und kein Institut für jüdische Theologie. Er lehrt eben aber als Dozent für jüdische Theologie. Sie finden unsere Emailadressen, schreiben sie uns gerne. Speaker 2: Education. Ich möchte gerne bedanken für diesen Vortrag und fragen, was für eine Luft nach oben sehen sehen Lehrkräfte, Ausbildung? Speaker 1: Ja, das ist, das ist wirklich eine sehr gute Frage. Also, wir haben jetzt festgestellt, auch gerade an der Uni in Tübingen, dass Antisemitismus, kritische Bildung und Diskriminierungs kritische Bildung eigentlich kaum ein Thema ist in der Lehrkräfte Bildung. Ich weiß nicht, wie es hier bei ihnen ist. Bei uns ist das wirklich kaum ein Thema, weder in den Bildungswissenschaften noch in den Theologien noch in den anderen Lehramtsstudiengängen. Wir bieten jetzt zum ersten Mal eben ein Seminar an, dass wir mit dem katholischen Kollegen, jüdischen Kollegen und ich gemeinsam entwickelt haben, und wir haben das dann jetzt so gemacht, dass wir das an alle Kolleginnen und Kollegen, die an alle Fachdidaktik innen geschickt haben und gefragt haben, ob sie das sozusagen in ihr Lehrangebot aufnehmen können, und es gab ein sehr, sehr großes Interesse. Die haben das. Viele von ihnen haben das aufgenommen, sodass die Studierenden aus allen Lehramtsstudiengängen sozusagen unser Seminar belegen können. Es ist auch nicht rein theologisch, was wir machen, sondern wir arbeiten auch soziologisch und so weiter, und wir haben jetzt eben überlegt, einen Zertifikatsstudiengang zu etablieren. Das gibt es zum Beispiel auch in Würzburg. Die Kollegin hat das initiiert, und wir wollen das ähnlich aufbauen, aber natürlich spezifisch dann auch für unseren Standort, und ich glaube, dass das ganz wichtig ist, dass man solche, also solche Angebote macht. Dann hat man zum Beispiel viele Studierende so einen Zertifikatsstudiengang absolvieren, können, dann an ihren Schulen später Antisemitismus beauftragte oder Diskriminierungs Diskriminierungsbeauftragte werden. Speaker 2: Danke. Da gibt's auch später auf dem Podium nochmal die Möglichkeit, da auf diese Fragen insbesondere auch einzugehen. Wie kann man das auch in der Ausbildung? Da gibt es auch noch mal Perspektiven von den Podiums Sprecher Innen später, die darauf auch nochmal Bezug nehmen können. Danke für die spannende Frage mit Blick auf die Zeit. Ich habe jetzt hier noch zwei Wortmeldungen gesehen, dass wir die noch zulassen, diese beiden Fragen, und dann in den nächsten Import übergehen. Genau, dankeschön an der Stiftung! Ich habe die Frage anknüpfen an das, was sie sagten, dass es bedauerlich ist, dass sie immer nur punktuell zum Einsatz kommen, dass es eigentlich was Kontinuierliches bräuchte, und die Frage nach der Lehrerinnen Fortbildung. Drängt sich da nicht die Frage nach einem gemeinsamen verbindenden Unterricht aus? Wir haben ja bisher nur die, die Religionsunterricht, wenn überhaupt, und keinen Ethikunterricht. Wann kriegen wir endlich einen Ethikunterricht, indem wir gemeinsam diskutieren können? Sollte das nicht eine Anregung sein? Speaker 1: Vielen Dank für ihre wichtige Frage. Also, es ist ja so, dass wir diesen konfessionellen Unterricht haben, also entweder evangelischen oder katholischen Religionsunterricht an eigentlich allen Schulen und Schulformen. Islamischen Religionsunterricht gibt es punktuell hier in Baden Würtenberg an verschiedenen Schulformen. Wir bilden die Lehrkräfte für den fürs Gymnasium aus, die pädagogischen Hochschulen für alle anderen Schulformen, und da haben wir auch nur vier, also vier pädagogische Hochschulen, die eben Lehrkräfte für den islamischen Religionsunterricht in Badenwürtenberg ausbilden, und dann eben Lehrkräfte für den jüdischen Religionsunterricht und so weiter haben wir. Da kannst du später was dazu sagen. Bruno, viel zu wenige oder kaum. Von daher ist es natürlich sehr schwierig, hier ein ausgewogenes Verhältnis zu haben, um auch interreligiöse Bildungsangebote anzubieten. Also es fehlt an jüdische Religionslehrer, und es gibt ganz wenig islamische Religionslehrer, und Ethikunterricht gibt es auch als Fach. Natürlich. Das ist aber, und da wird natürlich über verschiedene Religionen gesprochen, das ist eine ja eine sehr beschreibende, sehr beschreibendes Fach, Deskriptiv aus der Außenperspektive, und ich finde, dass das Potenzial des Bekenntnis, gebundenen Religionsunterricht, das ist das eben aus einer Binnenperspektive über Religion gesprochen wird und auch Religionen in den Austausch kommen aus diesen Binnenperspektive, da finde ich so also gerade in den hinter. Das interreligiöse Lernen hat ein sehr, sehr großes Potenzial, wenn es denn dann eben strukturell möglich wäre, was leider eben an vielen Orten nicht der Fall ist. Speaker 2: Meinerseits auch einen herzlichen Dank für den Vortrag. Ich möchte eine Frage stellen, die, die die Grundsätze, vielleicht das Konflikt und unserer Diskussion überhaupt treffen, nämlich den theologischen Aspekt. Sie haben ja unter ihren auch Schluss voll geschlussfolgert, dass die islamische Theologie in diesem Kontext eine historisch kritische Perspektive benötigte. Meine Frage ist einfach, ob diese Lesart des Islams, des Korans, überhaupt ein Garant dafür sein kann, dass diese Konflikte vielleicht einfacher geschlichtet werden. Denn eine solche Perspektive kann ja durchaus dazu führen, dass politische Soziologie, schon übrige Aspekte mehr in die Theologie mit aufgenommen werden können und gerade die Politik, die jetzt sich abspielt, vielleicht sogar zu radikaleren Interpretation führen. Speaker 1: Mhm, vielen Dank für ihre Frage. Also ich glaube, dass gerade eine historisch kritische Interpretation des Koran nicht zu radikaleren Ansichten führt, weil man den eben gerade die uranischen Aussagen, die sehr ambivalent sind gegenüber Jüdinnen und Juden, in ihren historischen Kontext versteht und nicht sozusagen auf die heutige Zeit übertragen kann. Und das ist, glaube ich, auch gerade das Problem, dass eben, wenn man eben nicht historisch kritisch mit dem Koran arbeitet, sozusagen diese Aussagen des Koran, die die Jüdinnen und Juden seinerzeit auf der arabischen Halbinsel im siebten Jahrhundert anspricht und thematisiert, dass das sozusagen auf heute übertragen wird. Und das kann sehr, sehr gefährlich werden, denn die Aussagen des Korans sind einerseits sehr positiv gegenüber Jüdinnen und Juden, andererseits sehr, sehr kritisch, und von daher muss man da schon sozusagen verantwortungsvoll mit es sozusagen vorgehen. Und gerade diese soziologischen Perspektiven, politische Perspektiven, historische Perspektiven spielen natürlich immer auch eine Rolle bei der Interpretation des Koran. Die müssen immer auch sozusagen mit eingebunden werden. Ansonsten fehlt natürlich auch ein Verständnis für die koranischen Aussagen.



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